Was ist Transformation, wie kann sie gestaltet werden? Die Arbeit schaut tief in das transdisziplinäre Feld der Transformations- und Designforschung, um anschließend neue Paradigmen zur Betrachtung dieser zu etablieren. Darauf basierend werden unterschiedliche Gestaltungsstrategien an zwei Entwürfen im Kunstkontext erprobt. Im Zentrum der Arbeit stehen transformative Lern-, Vermittlungs- und Reflexionsprozesse.
Nachfolgend hier noch ein Auszug aus der Zusammenfassung der Arbeit, der einen ersten Eindruck und eine Orientierung erlaubt:
Um die Frage nach transformativen Erfahrungen beantworten zu können, wurde als erstes ein genaues Verständnis davon entwickelt, was Transformation bedeuten kann. Hier wurde herausgearbeitet, dass es sich bei einer Transformation um grundlegende strukturelle, paradigmatische Umwandlungsprozesse gesellschaftlicher Systeme handelt, die sich in veränderten Formen von Wissen, Werten, Einstellungen und/oder Handlungen zeigen. Die Transformation selbst ist dabei weniger ein konkretes Ergebnis als ein gesamtgesellschaftlicher Lern- und Suchprozess. Um diesen Prozess genauer zu verstehen, wurden unterschiedliche theoretisch informierte Modelle und produktive Lesarten dieser eingeführt.
Transformationsforschung versteht sich jedoch nicht als rein theoretisches Unterfangen, sondern lebt von Handlung und Aktionsforschung. Initiativen auf Mikro- und Mesoebene können Veränderung auf Makroebene initiieren. Dabei kommt Nischenakteurinnen und ihre Netzwerke sowie ihre Unterstützerinnen auf Mesoebene eine entscheidende Rolle zu. Um sie zu aktivieren, gilt es, Veränderungen auf persönlichem, paradigmatischem Level zu adressieren. So kann sich systemisches Handeln auf politischer und praktischer Ebene wandeln. Die Arbeit an Glaubenssätzen und Denkmodellen kann so ein tiefer gesellschaftlicher Hebelpunkt für Transformation sein. Um zu verstehen, wie diese Hebelpunkte aktiviert werden können, kann transformatives Lernen als Referenzpunkt herangezogen werden, das sich sowohl auf individuelles Lernen als auch auf ein großes gesellschaftliches Ganzes bezieht. Transformatives Lernen wurde als Prozess herausgearbeitet, der durch Interventionen initiiert werden kann und in Schleifen oder Sprüngen Dekonstruktionen, Rekonstruktionen und die Integration neuer Paradigmen durchläuft. Dabei sind die Begleitung, Vermittlung und Unterstützung des Prozesses integral, um Lernende nicht in alte Paradigmen zurück fallen zu lassen.
Erfolgte Transformation wird sichtbar durch neue Bedeutungsperspektiven auf paradigmatischer Ebene (impact) sowie veränderte praktische Handlungen (output und outcome). Um einen differenzierten Blick auf dieses Vorhaben zuzulassen, wurde ein ‚realistischer‘ Blick auf aktuelle gesellschaftliche Phänomene geworfen. Dabei wird deutlich, dass Transformation ein komplexer, langfristiger, nicht vollständig kontrollierbarer Prozess ist – mehr ein Lebensprojekt vieler als das Ergebnis individuell gesetzter Initiativen. Und doch lohnt sich jede Form der Initiation, um etwas anzustoßen. Die Perspektive des absurden Projekts inspirierte einen Perspektivwechsel auf Veränderung: statt ein fixes Endergebnis ist es produktiv, auf die eigene Rolle im Prozess zu fokussieren und so die Bedeutung in der Revolte gegen die vielleicht absurden Zustände wahrzunehmen.
Nachdem die ersten Kapitel zeigten, dass Transformation nur durch das Infragestellen und langfristige Verändern von Paradigmen geschehen kann, wurden anschließend auch die Paradigmen infrage gestellt, wie über Transformation nachgedacht wird. Die quantenphysische Weltsicht kann dabei inspirieren. Indem sie alle Akteur*innen und Handlungen als miteinander verbunden und entangled sieht, lässt sich Agency neu konzeptualisieren. Die Skalierung von Transformation wird in diesem Kontext als ein persönlicher und relationaler Prozess verstanden, der durch tiefe paradigmatische Veränderungen von Denkmustern und ihrer Praxis die Grundlage für eine breite, horizontale Skalierung legt.
Aufbauend auf diesem ausführlichen Überblick über aktuelle Perspektiven auf Transformation wurden anschließend verschiedene Gestaltungsprozesse untersucht, um zu durchdringen, welche Rolle diese in transformativen Erfahrungen spielen. Design und Designforschung halfen dabei, Gestaltungsprozesse zu verstehen und zu analysieren. Hier wurde von einem erweiterten Designverständnis als einem umfassenden kulturellen Prozess ausgegangen, der nicht nur Produkte, sondern auch Erfahrungen und Systeme gestaltet. Transformationsdesign wird so zu einem transdisziplinären Prozess, der Möglichkeitsräume für neue Paradigmen öffnet, indem Lern- und Verlernprozesse initiiert und begleitet werden. Transformationsdesign greift somit in ‚die Welt‘ ein und hat doch nur begrenzten Einfluss, ‚alleine‘ alles zu ändern.
Spekulatives und kritisches Design öffnen als interventionale, kunstnahe Handlungsstrategien wertvolle Ausgangspunkte für die tiefe Reflexion der eigenen Annahmen. In einem erweiterten Verständnis und jenseits des Kunstkontexts verbünden sie sich mit Praktiken des sozialen Regelbrechens, um Diskussionsplattformen und Möglichkeitsräume zu bieten, in denen ein anderes in-der-Welt-Sein jenseits etablierter Normen kultiviert werden kann. Um Menschen zum Hinterfragen und alternativem Verhalten zu inspirieren, kann das Gestalten von Erfahrungen ein Hebel sein.
Transformative Lernerfahrungen verlangen nach Einbeziehung und Co-Design durch die Lernenden. Für Gestaltende lohnt es sich darum, ihre Aufmerksamkeit auf das Kreieren bedeutungsvoller Momente und die Begleitung von Reflexionsprozessen zu legen, um so erinnerbare Erlebnisse und tiefgreifende Veränderungen möglich zu machen.
Im Initiieren, Vermitteln, Sammeln und Übersetzen gehen die vielfältigen Rollen von Gestaltenden gesellschaftlicher Transformationsprozesse weit über die Rolle klassischer Designer*innen hinaus. Ihre Praxis soll hier als eine Handlung und weniger als eine Disziplin verstanden werden, die stets im Hinblick auf ihre Verantwortung im Umgang mit Agency und Macht als Handelnde und Verbündende reflektiert werden muss. Damit wird deutlich, dass die Intention und die Rolle der Gestaltenden wichtig im Hinblick darauf sind, ob eine Erfahrung transformativ sein kann.
In dieser Arbeit wurde herausgestellt, dass Gestaltungstrategien, die auf den Erkenntnissen des transformativen Gestaltens beruhen, das Potenzial haben, die Wahrscheinlichkeit einer transformativen Erfahrung zu erhöhen, ohne diese jedoch sicher stellen zu können. Solche produktiven Strategien beruhen auf einer Anwendung der Systemtheorie aus einer „weichen“, feministischen Perspektive, die auf einem kritischen Blick auf die Realität fußt. Dabei spielen vor allem Taktiken des Sichtbarmachens, Komplexität-Annehmens wie auch das Thema Fürsorge und Solidarität eine zentrale Rolle. Abseits postmoderner Haltungen ist der Metamodernismus eine produktive Bedeutungsperspektive, die moderne oder ‚postmoderne‘ Vorstellungen nicht verwirft, sondern zwischen ihnen oszilliert. Metamoderne Gestaltungsstrategien werden als Haltungen und innere Überzeugungen verstanden. Sie helfen dabei, mit eigenen Paradigmen, Rückfällen, Unschlüssigkeiten und Mehrdeutigkeit umzugehen. Um kontextspezifisch auf die Entwürfe im Bereich Kunst einzugehen, wurde abschließend die Methodik und Denkfigur des partizipativen Museums mit ihrer Sammlung interaktiver Strategien betrachtet. Sie ermöglicht zahlreiche Einbindungs- und Partizipationswege, die transformatives Lernen innerhalb von Ausstellungskontexten befähigen.
Masterthesis von Daniele Lauriola
Was ist Transformation, wie kann sie gestaltet werden? Die Arbeit schaut tief in das transdisziplinäre Feld der Transformations- und Designforschung, um anschließend neue Paradigmen zur Betrachtung dieser zu etablieren. Darauf basierend werden unterschiedliche Gestaltungsstrategien an zwei Entwürfen im Kunstkontext erprobt. Im Zentrum der Arbeit stehen transformative Lern-, Vermittlungs- und Reflexionsprozesse.
Nachfolgend hier noch ein Auszug aus der Zusammenfassung der Arbeit, der einen ersten Eindruck und eine Orientierung erlaubt:
Um die Frage nach transformativen Erfahrungen beantworten zu können, wurde als erstes ein genaues Verständnis davon entwickelt, was Transformation bedeuten kann. Hier wurde herausgearbeitet, dass es sich bei einer Transformation um grundlegende strukturelle, paradigmatische Umwandlungsprozesse gesellschaftlicher Systeme handelt, die sich in veränderten Formen von Wissen, Werten, Einstellungen und/oder Handlungen zeigen. Die Transformation selbst ist dabei weniger ein konkretes Ergebnis als ein gesamtgesellschaftlicher Lern- und Suchprozess. Um diesen Prozess genauer zu verstehen, wurden unterschiedliche theoretisch informierte Modelle und produktive Lesarten dieser eingeführt.
Transformationsforschung versteht sich jedoch nicht als rein theoretisches Unterfangen, sondern lebt von Handlung und Aktionsforschung. Initiativen auf Mikro- und Mesoebene können Veränderung auf Makroebene initiieren. Dabei kommt Nischenakteurinnen und ihre Netzwerke sowie ihre Unterstützerinnen auf Mesoebene eine entscheidende Rolle zu. Um sie zu aktivieren, gilt es, Veränderungen auf persönlichem, paradigmatischem Level zu adressieren. So kann sich systemisches Handeln auf politischer und praktischer Ebene wandeln. Die Arbeit an Glaubenssätzen und Denkmodellen kann so ein tiefer gesellschaftlicher Hebelpunkt für Transformation sein. Um zu verstehen, wie diese Hebelpunkte aktiviert werden können, kann transformatives Lernen als Referenzpunkt herangezogen werden, das sich sowohl auf individuelles Lernen als auch auf ein großes gesellschaftliches Ganzes bezieht. Transformatives Lernen wurde als Prozess herausgearbeitet, der durch Interventionen initiiert werden kann und in Schleifen oder Sprüngen Dekonstruktionen, Rekonstruktionen und die Integration neuer Paradigmen durchläuft. Dabei sind die Begleitung, Vermittlung und Unterstützung des Prozesses integral, um Lernende nicht in alte Paradigmen zurück fallen zu lassen.
Erfolgte Transformation wird sichtbar durch neue Bedeutungsperspektiven auf paradigmatischer Ebene (impact) sowie veränderte praktische Handlungen (output und outcome). Um einen differenzierten Blick auf dieses Vorhaben zuzulassen, wurde ein ‚realistischer‘ Blick auf aktuelle gesellschaftliche Phänomene geworfen. Dabei wird deutlich, dass Transformation ein komplexer, langfristiger, nicht vollständig kontrollierbarer Prozess ist – mehr ein Lebensprojekt vieler als das Ergebnis individuell gesetzter Initiativen. Und doch lohnt sich jede Form der Initiation, um etwas anzustoßen. Die Perspektive des absurden Projekts inspirierte einen Perspektivwechsel auf Veränderung: statt ein fixes Endergebnis ist es produktiv, auf die eigene Rolle im Prozess zu fokussieren und so die Bedeutung in der Revolte gegen die vielleicht absurden Zustände wahrzunehmen.
Nachdem die ersten Kapitel zeigten, dass Transformation nur durch das Infragestellen und langfristige Verändern von Paradigmen geschehen kann, wurden anschließend auch die Paradigmen infrage gestellt, wie über Transformation nachgedacht wird. Die quantenphysische Weltsicht kann dabei inspirieren. Indem sie alle Akteur*innen und Handlungen als miteinander verbunden und entangled sieht, lässt sich Agency neu konzeptualisieren. Die Skalierung von Transformation wird in diesem Kontext als ein persönlicher und relationaler Prozess verstanden, der durch tiefe paradigmatische Veränderungen von Denkmustern und ihrer Praxis die Grundlage für eine breite, horizontale Skalierung legt.
Aufbauend auf diesem ausführlichen Überblick über aktuelle Perspektiven auf Transformation wurden anschließend verschiedene Gestaltungsprozesse untersucht, um zu durchdringen, welche Rolle diese in transformativen Erfahrungen spielen. Design und Designforschung halfen dabei, Gestaltungsprozesse zu verstehen und zu analysieren. Hier wurde von einem erweiterten Designverständnis als einem umfassenden kulturellen Prozess ausgegangen, der nicht nur Produkte, sondern auch Erfahrungen und Systeme gestaltet. Transformationsdesign wird so zu einem transdisziplinären Prozess, der Möglichkeitsräume für neue Paradigmen öffnet, indem Lern- und Verlernprozesse initiiert und begleitet werden. Transformationsdesign greift somit in ‚die Welt‘ ein und hat doch nur begrenzten Einfluss, ‚alleine‘ alles zu ändern.
Spekulatives und kritisches Design öffnen als interventionale, kunstnahe Handlungsstrategien wertvolle Ausgangspunkte für die tiefe Reflexion der eigenen Annahmen. In einem erweiterten Verständnis und jenseits des Kunstkontexts verbünden sie sich mit Praktiken des sozialen Regelbrechens, um Diskussionsplattformen und Möglichkeitsräume zu bieten, in denen ein anderes in-der-Welt-Sein jenseits etablierter Normen kultiviert werden kann. Um Menschen zum Hinterfragen und alternativem Verhalten zu inspirieren, kann das Gestalten von Erfahrungen ein Hebel sein.
Transformative Lernerfahrungen verlangen nach Einbeziehung und Co-Design durch die Lernenden. Für Gestaltende lohnt es sich darum, ihre Aufmerksamkeit auf das Kreieren bedeutungsvoller Momente und die Begleitung von Reflexionsprozessen zu legen, um so erinnerbare Erlebnisse und tiefgreifende Veränderungen möglich zu machen.
Im Initiieren, Vermitteln, Sammeln und Übersetzen gehen die vielfältigen Rollen von Gestaltenden gesellschaftlicher Transformationsprozesse weit über die Rolle klassischer Designer*innen hinaus. Ihre Praxis soll hier als eine Handlung und weniger als eine Disziplin verstanden werden, die stets im Hinblick auf ihre Verantwortung im Umgang mit Agency und Macht als Handelnde und Verbündende reflektiert werden muss. Damit wird deutlich, dass die Intention und die Rolle der Gestaltenden wichtig im Hinblick darauf sind, ob eine Erfahrung transformativ sein kann.
In dieser Arbeit wurde herausgestellt, dass Gestaltungstrategien, die auf den Erkenntnissen des transformativen Gestaltens beruhen, das Potenzial haben, die Wahrscheinlichkeit einer transformativen Erfahrung zu erhöhen, ohne diese jedoch sicher stellen zu können. Solche produktiven Strategien beruhen auf einer Anwendung der Systemtheorie aus einer „weichen“, feministischen Perspektive, die auf einem kritischen Blick auf die Realität fußt. Dabei spielen vor allem Taktiken des Sichtbarmachens, Komplexität-Annehmens wie auch das Thema Fürsorge und Solidarität eine zentrale Rolle. Abseits postmoderner Haltungen ist der Metamodernismus eine produktive Bedeutungsperspektive, die moderne oder ‚postmoderne‘ Vorstellungen nicht verwirft, sondern zwischen ihnen oszilliert. Metamoderne Gestaltungsstrategien werden als Haltungen und innere Überzeugungen verstanden. Sie helfen dabei, mit eigenen Paradigmen, Rückfällen, Unschlüssigkeiten und Mehrdeutigkeit umzugehen. Um kontextspezifisch auf die Entwürfe im Bereich Kunst einzugehen, wurde abschließend die Methodik und Denkfigur des partizipativen Museums mit ihrer Sammlung interaktiver Strategien betrachtet. Sie ermöglicht zahlreiche Einbindungs- und Partizipationswege, die transformatives Lernen innerhalb von Ausstellungskontexten befähigen.
Transformative Gestaltungspraxis – zwischen Entwerfen, Intervenieren, Vermitteln und Begleiten © 2023 von Daniele Lauriola ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 1.0 (CC 0 1.0 DEED). Diese Lizenz erlaubt das verbreiten, verändern, adaptieren oder darauf aufbauen. (Lizenz-Text: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de) Die Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz gelten nur für Originalmaterial. Die Wiederverwendung von Material aus anderen Quellen (gekennzeichnet mit Quellenangabe) wie z.B. Schaubilder, Abbildungen, Fotos und Textauszüge erfordert ggf. weitere Nutzungsgenehmigungen durch den jeweiligen Rechteinhaber.