Körper und Raum

Im Rahmen dieses Semesterprojektes haben wir (weiß, cis, able-bodied) uns mit der Frage auseinandergesetzt, welche Rolle Körper und Körperlichkeiten in Lehr- und Lernräumen spielen.

Wir hatten eine Woche Zeit, unseren Zugang zu dem Thema herauszuarbeiten und in ein Vermittlungsformat zu übersetzen. Am 07. Dezember 2021 haben wir sowohl online als auch in einem Seminarraum an der Uni gemeinsam mit den Teilnehmer*innen spazierend, diskutierend und sich im Raum positionierend verschiedene Fragestellungen besprochen.

“Wie stehen diverse Körper in Lehr-& Lernräumen in Verbindung mit diesen und miteinander?”

“Wie bewusst bin ich mir meiner selbst im Raum?”

“Wie kann ein Austausch über Körperlichkeiten möglich gemacht werden, vorausgesetzt, dass wir alle Expert*innen für unseren eigenen Körper sind?”

Den Zugang zum Thema Körper und Körperlichkeiten davon ausgehend zu gestalten, dass wir alle Expert*innen über unsere eigenen Körper sind, fanden wir wichtig, da die Konzentration auf die Erfahrung es ermöglicht, eine Wissensbasis zu schaffen, von der aus wir sprechen können.

Des Weiteren haben wir um unser Format einzuleiten gemeinsam eine Achtsamkeitsübung gemacht und auch zwischendurch mit einer Atemübung unsere Aufmerksamkeit zurück auf den Raum gelenkt, in dem wir uns befinden.

Definitionen

Körperlichkeiten:
(Nicht) greifbare Eindrücke, Empfindungen und Gefühle zu Körpern, die aus einem Zusammenwirken von äußerer & eigener Wahrnehmung in gesellschaftlichen Kontexten, entstehen. Hierbei spielen bestehende Macht- & Diskriminierungsverhältnisse eine wichtige Rolle.

Körper:
Die physische Hülle der eigenen Existenz.

In unserem Vermittlungsformat haben wir bewusst versucht, mit der Erfahrung zu brechen, dass die Ergebnisse von Lernerfahrungen in Bildungskontexten häufig vergleichbar sein müssen.

Hierbei wurde sehr deutlich, dass wir uns im Rahmen unseres Projektes in einer sehr homogenen Gruppe befinden. Wir beobachteten, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit nicht unbedingt bedeutet, dass hierbei andere Körper, vor allem die von marginalisierten, nicht im Raum vertretenen Gruppen, mitgedacht werden.

Sichtbar wird das auch durch den Chatverlauf der Menschen, die von zu Hause aus teilgenommen und auf das gesagte im Raum reagiert haben.

[15:21] Lisa Baumgarten: Ich finde "Selbstverständlichkeit" ist hier noch ein wichtiger Begriff. Weil wir als able-bodied Menschen oft nicht mitbekommen, wo andere keinen Platz haben oder auch aus Unwissen Platz versperren oder nehmen – beispielsweise durch Fahrräder an denen Rolli-Fahrer*innen nicht vorbeikommen.

[15:21] Lisa Baumgarten: Oder einfach, weil Straßen für "uns" gebaut sind.

[15:25] Christina: Und manchen fällt es leichter sich groß zu machen als Anderen.

[15:27] Helene (sie,ihr): Form follows Function anders und mit lebendigen Körpern denken finde ich spannend.

[15:28] Lisa Baumgarten: Gibt tatsächlich Tanztechniken, die das ausreizen.

[15:29] Lisa Baumgarten: Aber wie soll da funktionieren, wenn die Gruppe sehr homogen ist?

[15:30] Lisa Baumgarten: Also das "Ausbrechen".

[15:30] Lisa Baumgarten: Solange der Klassenraum nicht diverser wird, bleibt alles ein Gedankenspiel.

[15:34] Helene (sie,ihr): Aber wird es außen vor gelassen?

[15:34] Lisa Baumgarten: aber Körper existieren ja - nur weil wir nicht darüber sprechen heißt es nicht, dass Körperlichkeit und die damit zusammenhängenden Machtstrukturen nicht da sind.

[15:34] Lisa Baumgarten: Das finde ich problematisch.

[15:35] Christina: Aber es sind ja nicht Alle gleichermaßen akzeptiert.

[15:35] Lisa Baumgarten: Es ist ein Privileg, nicht darüber nachdenken, daran erinnert zu werden, sich wohlzufühlen.

[15:35] Helene (sie,ihr): Und @Lukas hat ja z.B. gesagt, dass er, weil er ein gutes Körpergefühl hat, sich weniger Gedanken um seinen Körper im Raum machen muss als Andere. Das zeigt doch schon, dass Körper eine Rolle spielen für die Äußerung von Gedanken.

[15:35] Ye: Ich denke an meine Erfahrung im Sprachunterricht der TU (Technischen Universität), Alle waren organisiert, diszipliniert, nie so frei wie wir. Gibt es hier auch einen Unterschied zwischen den Disziplinen (was wir studieren, wer wir sind)?

[15:38] Lisa Baumgarten: Helene möchtest du was laut sagen?

[15:39] Helene (sie,ihr): Ja eigentlich schon.

[15:39] Lisa Baumgarten: @Tabea, @Vanessa könnt ihr uns laut schalten, bitte?

[15:39] Vanessa (Handy): Yes!

[15:51] Marius: Ich finde, Authentizität spielt dabei auch immer eine wichtige Rolle. Sich seine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zu sich selbst und anderen bewusst zu machen und immer wieder zu reflektieren und versuchen keine Rollen zu spielen, was z.B. narzisstische Hintergründe haben kann. Seine Werte, Gedanken, Emotionen, Überzeugungen und Bedürfnissen physisch und verbal auszudrücken und dementsprechend zu handeln. Dazu zählen für mich Stärken wie auch Schwächen, ebenso wie die eigenen Gefühle und Motive für bestimmte Verhaltensweisen. Nur ein Gedanke, ich hole mir da z.B. viel zu wenig Feedback ein.

[16:03] White Cube (Tabea): Mag noch wer hier was sagen?

[16:03] White Cube (Tabea): Ihr seid noch laut. :)

[16:04] Lisa Baumgarten: Sarah Ahmed: Diversity Work

[16:05] Lisa Baumgarten: https://feministkilljoys.com/2021/09/22/complaint-2/

[16:05] White Cube (Tabea): Danke Euch! :)

[16:07] Christina: Aber es gibt ja auch strukturelle Probleme.

[16:08] Lisa Baumgarten: Vor allem würde ich sagen.

[16:12] Lisa Baumgarten: Lüftet mal zwischendurch.: ;)

Mit der vorab skizzierten Problematik haben wir uns in der Nachbereitung des Workshops intensiver auseinandergesetzt. Um der Nicht-Universalisierbarkeit von Körpern und Körperlichkeiten gerecht zu werden, haben wir uns dafür entschieden, an dieser Stelle nicht das geschriebene Wort in den Mittelpunkt zu stellen. Ein Dialog kam uns hier passender vor, denn er repräsentiert die prozesshafte Entwicklung einer Praxis, und hat nicht den Charakter eines geschriebenen Regelwerks.

TRANSKRIPT

Tabea: "Hi, ich bin Tabea..."

Vanessa: "...und ich bin Vanessa."

Tabea: "Wir werden jetzt die nächsten paar Minuten über unser Vermittlungsformat, was wir letztes Jahr im Dezember durchgeführt haben, reden. Dabei werden wir auch die Begriffe "Körper" und "Körperlichkeiten" verwenden, und wollten sie deswegen nochmal kurz definieren. Unter Körpern verstehen wir die physische Hülle der eigenen Existenz und unter Körperlichkeit die Eindrücke, Empfindungen und Gefühle zu Körpern, die aus einem Zusammenwirken von äußerer & eigener Wahrnehmung in gesellschaftlichen Kontexten, entstehen. Hierbei spielen bestehende Macht- & Diskriminierungsverhältnisse eine wichtige Rolle. Diese Gefühle können greifbar oder nicht-greifbar sein."

Vanessa: "Wir haben uns im Rahmen unseres Vermittlungsformats mit Körpern und Körperlichkeiten vor allem in Lehr- und Lernräumen beschäftigt und gemeinsam in unserem Projekt über persönliche Erfahrungen und das individuelle Bewusstsein über den eigenen Körper im Raum diskutiert. Diesen persönlichen Ansatz haben wir mit dem Gedanken gewählt, dass wir alle Expert*innen für unsere eigene nicht-vergleichbare Körperlichkeit sind und um gemeinsam herauszufinden, wie wir dieses individuelle Wissen vermitteln können.
Hierbei haben wir im Laufe des zweistündigen Formats gemerkt, wie schnell in einer sehr homogenen Gruppe, in der wir waren, die in vielerlei Hinsicht mehrfach privilegiert war, Perspektiven von weniger privilegierten Menschen nicht mitgedacht werden oder über diese spekuliert wurde." 

Tabea: "In der Nachbereitung des Formats haben wir uns viel darüber unterhalten, wie eine Praxis beim Austausch über Körperlichkeiten entwickelt werden kann, die dazu beiträgt, dass Perspektiven nicht vergessen werden, die physisch (vielleicht) nicht anwesend sind und wie wir uns auf eine solche Diskussionen besser vorbereiten können. Deshalb haben wir eine Liste mit weiterführenden Links zusammengestellt.

Vanessa: "Wir kamen immer wieder zu dem Schluss, dass das Ergebnis hiervon auf keinen Fall eine Liste an Perspektiven, die mitgedacht werden müssen, oder eine Check-Liste mit "Dos und Donts" sein kann. Aus diesem Grund haben wir uns für die Reflektion des Vermittlungsformats auf das gesprochene Wort geeinigt. Daher die Audioaufnahme eines Gesprächs, das weniger den Charakter eines Regelwerks hat und mehr das prozesshafte, nicht-lineare darstellt, welches eine kontinuierliche Reflexion verschiedener Körper und Körperlichkeiten beinhaltet."

Tabea: "Denn der Prozess des "Mitdenkens" und des "über die eigene Körperlichkeit hinausdenkens" so individuell, wie Körperlichkeit selbst und kann (muss) regelmäßig praktiziert und trainiert werden."

Vanessa: "Wir haben gemerkt, dass das Fragen stellen von zum Beispiel: "Warum sind in diesen (Lehr- oder Lern)Räumen so wenig z.B. Schwarze Perspektiven auf Körperlichkeit vertreten?", "Über wessen Körperlichkeiten weiß ich viel oder wenig und warum?", "Wem sollte ich zuhören, um sensibler zu werden für verschiedene Körperlichkeiten?" im reflexiven Prozess hilfreich sein kann. Und vor allem auch das Zuhören und sich Weiterbilden.
Deshalb würden wir uns wünschen, wenn du, nachdem du dieses Audio gehört hast, einen der Links besuchst, die auf unseren Seiten in der Publikation stehen. Und dich gemeinsam mit uns allen auf den Weg begibst, der nicht linear ist, auf dem wir mehr über verschiedene Körperlichkeiten lernen und üben sensibler mit Perspektiven umzugehen, die über unsere eigenen hinaus gehen.

Weiterführende Links

Obwohl wir zu Beginn von unserer eigenen Expert*innenrolle ausgegangen sind, ist es uns wichtig, auch andere Perspektiven über Körper und Körperlichkeiten aufzuzeigen. Nachfolgend eine Sammlung von Erfahrungsberichten und mehr:

Autor*in, Poet*in Alok V. Menon schreibt, spricht oder philosophiert unter anderem über Gemeinschaft, Feminismus und Geschlechterrollen.

Mehr Informationen dazu, wie sich in „The Worship of the Written Word“ weiße Vorherrschaft widerspiegelt.

Die Mitbegründerin des Design Justice Network Sasha-Costanza Chock spricht in diesem Vortrag über ihre Erfahrungen als Transgender-Person mit einem nicht-normativen Körper. (45 Minuten)

Caroline Criado-Perez beschäftigt sich in ihrem Buch „Invisible Women“ mit den Datenlücken, die in der Entwicklung von Produkten, aber auch Infrastrukturen, zu teilweise lebensgefährlichen Auswirkungen für marginalisierte Körper führen kann. Hier ein Podcast mit ihr. (27 Minuten)

Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten – Kapitel 65-87. Sie spricht über Erfahrungen, die sie als schwarze Frau in Deutschland im Bezug auf Haare, Haut und Körper gemacht hat.

Paula Stone Williams: I Have Lived as a Man and a Woman: Here is What I’ve Learned  (15 Minuten)

Judith Heumann: Our Fight for Disability Rights and Why We’re Not Done Yet
(20 Minuten)


Ein Projekt von:
Vanessa Hoffmann & Tabea Merly
Semesterprojekt “A NEW CURRICULUM”, Wintersemester 2021/22

bei Dipl. Des. Lisa Baumgarten


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