Ein Pilotprojekt zur digitalen Erfassung von Biomasse
Masterthesis von Lukas Unterholzner
Ziel des Transformations Designs ist der Wandel zu einem zukunftsfähigen, gerechten und guten Leben und Wirtschaften für alle. Getragen vom Verständnis für Wechselwirkungen und Abhängigkeiten der diversen Herausforderungen, werden Handlungsansätze entwickelt. Im Zuge seiner Forderung nach der großen Transformation betont Uwe Schneidewind dabei die Notwendigkeit eines grundlegenden Werte- und Paradigmenwandels als Prämisse für eine erfolgreiche Transformation. Sieben Kernbereiche der Veränderung – Wohlstand und Konsum, Energie, Mobilität, Ernährung, urbanes Leben, Industrie und Ressourcen – werden als essenzielle Arenen für diese Transformation beschrieben und müssen zusammen gedacht werden. Die vorliegende Arbeit wendet sich primär der Ressourcen- und Industriewende in Deutschland zu, die sich zu Teilen aus dem Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie konstituieren. Allerdings reicht diese Veränderung allein aus Gründen des zu hohen Flächenbedarfs zur Produktion der erforderlichen Biomasse nicht aus, um den aktuellen und erst recht den zu erwartenden Ressourcenverbrauch zu decken. Daher müssen Suffizienzbemühungen den Ressourcenverbrauch grundlegend verringern. Darauf bezogen spricht Ulrike Herrmann entgegen dem vorherrschenden Paradigma des “grünen Wachstums” vom Grünen Schrumpfen. Es braucht grüne Technologien und Innovationen, bei gleichzeitiger Entmaterialisierung des Konsums, und gezieltem Vermindern des Wirtschaftswachstums. Die bisherigen Entwicklungen haben gezeigt, dass Effizienzgewinne durch Rebound Effekte, global wachsende Bevölkerungszahlen, steigenden Wohlstand und kapitalistische Steigerungsdynamiken zunichtegemacht werden. Um eine möglichst klimaschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsweise zu ermöglichen, stellt die Transformation zu einer biobasierten Kreislaufwirtschaft aktuell eine mögliche Teillösung dar. Dabei gilt es insbesondere Zielkonflikte zu verringern und die Ressourceneffizienz zu maximieren. Dafür müssen im Sinne der Kaskadennutzung Stoffe möglichst lange auf einer möglichst hohen Nutzungsebene geführt werden sowie biogene Rest- und Sekundärstoffe mobilisiert und in Kreisläufe zurückgeführt werden. Hier bestehen oftmals Konflikte zwischen Kosten- und Nachhaltigkeitsfaktoren, welche jeweils andere Nutzungshierarchien und Nutzungspfade ergeben würden. Dafür braucht es gesetzliche Lenkungsmaßnahmen, die ökologischen Gesichtspunkten einen höheren Stellwert geben, den umweltgerechten Umgang mit Rest- und Sekundärstoffen sicherstellen und gleichzeitig den Abbau rechtlicher Hürden und fragmentierter Zuständigkeiten herbeiführen.
Zur Erfassung, Darstellung und Koordination der komplexen Stoffströme ist eine umfassende Informations- und Datengrundlage notwendig. Eine vielversprechende Möglichkeit, diese zu schaffen, stellen Materialpässe in Form von digitalen Zwillingen dar. Dabei werden etwa Gebäude, Produkte und Materialien in Form von Informations- und Funktionsmodellen abgebildet. Auf Basis von digitalen Zwillingen können den physischen Wirtschaftsgütern digitale Abbilder zugeordnet werden, die umfassende Informationen zu Materialität, Wert, Servicier- und Reparierbarkeit sowie Recyclebarkeit enthalten. Auch technische Informationen, Dokumentationen, Lebenszyklusinformationen und sogenannte Carbon Footprint Modelle können angefügt werden. Überdies können digitale Zwillinge auch für Simulationen, Monitoring und Vorhersagen verwendet werden. Dies kann beispielsweise durch Materialflussanalysen erfolgen und ermöglicht die Steuerung und Optimierung von Stoffströmen sowie die Verbesserung der Ressourcenverfügbarkeiten in der Bioökonomie. Eine große Herausforderung, die dafür notwendigen Daten zu sammeln und zwischen unterschiedlichen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Ländern auszutauschen, stellt die Heterogenität der Daten dar. Die Industrie 4.0 bietet hier Potenziale für interoperable Vernetzung und Datenaustausch durch standardisierte Datencontainer, sogenannte Verwaltungsschalen, die Informationen zu physischen Assets enthalten. Das Konzept der digitalen Zwillinge von Materialien und Produkten findet sich auch auf der politischen Agenda. Am 30. März 2022 hat die Europäische Kommission im Rahmen der Sustainable Product Initiative einen Entwurf für eine neue Ökodesign-Verordnung präsentiert. Teil dieser Verordnung ist die Einführung eines digitalen Produktpasses, der dabei helfen soll, Stoffkreisläufe zu schließen und produktspezifische Informationen entlang der Wertschöpfungskette bereitzustellen. Damit soll ein rechtlicher Rahmen für den europäischen Binnenmarkt geschaffen werden, um ein verpflichtendes Informationssystem für die Kreislaufwirtschaft und insbesondere ökologische Produkte zu etablieren. Gekoppelt mit zusätzlichen Informationen zu Verwertungsmöglichkeiten der einzelnen Produkte oder Materialien und der Priorisierung ökologischer Gesichtspunkte ergibt sich ein großes Potenzial für nachhaltige Wertschöpfung. Des Weiteren soll damit die Regionalisierung, Dekarbonisierung und Ressourceneffizienz verbessert werden. Auch der digitale Produktpass könnte über Verwaltungsschalen abgebildet werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein Konzept für die Erstellung von digitalen Zwillingen entwickelt, um Schnittstellen für verschiedene Anwendungen bereitzustellen. Damit soll die Grundlage für die datenbasierte Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie geliefert werden. Herausforderungen der Bioökonomie, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung werden dargestellt und Lösungsansätze sowie Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Biomasse und speziell mit biogenen Rest- und Sekundärstoffen und deren digitale Erfassung erarbeitet.
Die Arbeit von Lukas Unterholzner ist durch die Creative Commons geschützt, die Arbeit darf nicht für kommerzielle Zwecke genutzt werden. Beim Benutzen der Arbeit muss der Autor namentlich genannt werden.
Ein Pilotprojekt zur digitalen Erfassung von Biomasse
Masterthesis von Lukas Unterholzner
Ziel des Transformations Designs ist der Wandel zu einem zukunftsfähigen, gerechten und guten Leben und Wirtschaften für alle. Getragen vom Verständnis für Wechselwirkungen und Abhängigkeiten der diversen Herausforderungen, werden Handlungsansätze entwickelt. Im Zuge seiner Forderung nach der großen Transformation betont Uwe Schneidewind dabei die Notwendigkeit eines grundlegenden Werte- und Paradigmenwandels als Prämisse für eine erfolgreiche Transformation. Sieben Kernbereiche der Veränderung – Wohlstand und Konsum, Energie, Mobilität, Ernährung, urbanes Leben, Industrie und Ressourcen – werden als essenzielle Arenen für diese Transformation beschrieben und müssen zusammen gedacht werden.
Die vorliegende Arbeit wendet sich primär der Ressourcen- und Industriewende in Deutschland zu, die sich zu Teilen aus dem Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie konstituieren. Allerdings reicht diese Veränderung allein aus Gründen des zu hohen Flächenbedarfs zur Produktion der erforderlichen Biomasse nicht aus, um den aktuellen und erst recht den zu erwartenden Ressourcenverbrauch zu decken. Daher müssen Suffizienzbemühungen den Ressourcenverbrauch grundlegend verringern. Darauf bezogen spricht Ulrike Herrmann entgegen dem vorherrschenden Paradigma des “grünen Wachstums” vom Grünen Schrumpfen. Es braucht grüne Technologien und Innovationen, bei gleichzeitiger Entmaterialisierung des Konsums, und gezieltem Vermindern des Wirtschaftswachstums. Die bisherigen Entwicklungen haben gezeigt, dass Effizienzgewinne durch Rebound Effekte, global wachsende Bevölkerungszahlen, steigenden Wohlstand und kapitalistische Steigerungsdynamiken zunichtegemacht werden.
Um eine möglichst klimaschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsweise zu ermöglichen, stellt die Transformation zu einer biobasierten Kreislaufwirtschaft aktuell eine mögliche Teillösung dar. Dabei gilt es insbesondere Zielkonflikte zu verringern und die Ressourceneffizienz zu maximieren. Dafür müssen im Sinne der Kaskadennutzung Stoffe möglichst lange auf einer möglichst hohen Nutzungsebene geführt werden sowie biogene Rest- und Sekundärstoffe mobilisiert und in Kreisläufe zurückgeführt werden. Hier bestehen oftmals Konflikte zwischen Kosten- und Nachhaltigkeitsfaktoren, welche jeweils andere Nutzungshierarchien und Nutzungspfade ergeben würden. Dafür braucht es gesetzliche Lenkungsmaßnahmen, die ökologischen Gesichtspunkten einen höheren Stellwert geben, den umweltgerechten Umgang mit Rest- und Sekundärstoffen sicherstellen und gleichzeitig den Abbau rechtlicher Hürden und fragmentierter Zuständigkeiten herbeiführen.
Zur Erfassung, Darstellung und Koordination der komplexen Stoffströme ist eine umfassende Informations- und Datengrundlage notwendig. Eine vielversprechende Möglichkeit, diese zu schaffen, stellen Materialpässe in Form von digitalen Zwillingen dar. Dabei werden etwa Gebäude, Produkte und Materialien in Form von Informations- und Funktionsmodellen abgebildet. Auf Basis von digitalen Zwillingen können den physischen Wirtschaftsgütern digitale Abbilder zugeordnet werden, die umfassende Informationen zu Materialität, Wert, Servicier- und Reparierbarkeit sowie Recyclebarkeit enthalten. Auch technische Informationen, Dokumentationen, Lebenszyklusinformationen und sogenannte Carbon Footprint Modelle können angefügt werden. Überdies können digitale Zwillinge auch für Simulationen, Monitoring und Vorhersagen verwendet werden. Dies kann beispielsweise durch Materialflussanalysen erfolgen und ermöglicht die Steuerung und Optimierung von Stoffströmen sowie die Verbesserung der Ressourcenverfügbarkeiten in der Bioökonomie. Eine große Herausforderung, die dafür notwendigen Daten zu sammeln und zwischen unterschiedlichen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Ländern auszutauschen, stellt die Heterogenität der Daten dar. Die Industrie 4.0 bietet hier Potenziale für interoperable Vernetzung und Datenaustausch durch standardisierte Datencontainer, sogenannte Verwaltungsschalen, die Informationen zu physischen Assets enthalten.
Das Konzept der digitalen Zwillinge von Materialien und Produkten findet sich auch auf der politischen Agenda. Am 30. März 2022 hat die Europäische Kommission im Rahmen der Sustainable Product Initiative einen Entwurf für eine neue Ökodesign-Verordnung präsentiert. Teil dieser Verordnung ist die Einführung eines digitalen Produktpasses, der dabei helfen soll, Stoffkreisläufe zu schließen und produktspezifische Informationen entlang der Wertschöpfungskette bereitzustellen. Damit soll ein rechtlicher Rahmen für den europäischen Binnenmarkt geschaffen werden, um ein verpflichtendes Informationssystem für die Kreislaufwirtschaft und insbesondere ökologische Produkte zu etablieren. Gekoppelt mit zusätzlichen Informationen zu Verwertungsmöglichkeiten der einzelnen Produkte oder Materialien und der Priorisierung ökologischer Gesichtspunkte ergibt sich ein großes Potenzial für nachhaltige Wertschöpfung. Des Weiteren soll damit die Regionalisierung, Dekarbonisierung und Ressourceneffizienz verbessert werden. Auch der digitale Produktpass könnte über Verwaltungsschalen abgebildet werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein Konzept für die Erstellung von digitalen Zwillingen entwickelt, um Schnittstellen für verschiedene Anwendungen bereitzustellen. Damit soll die Grundlage für die datenbasierte Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie geliefert werden. Herausforderungen der Bioökonomie, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung werden dargestellt und Lösungsansätze sowie Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Biomasse und speziell mit biogenen Rest- und Sekundärstoffen und deren digitale Erfassung erarbeitet.
Die Arbeit von Lukas Unterholzner ist durch die Creative Commons geschützt, die Arbeit darf nicht für kommerzielle Zwecke genutzt werden. Beim Benutzen der Arbeit muss der Autor namentlich genannt werden.