Wut-Mahl

Disclaimer:

Das Wut-Mahl haben wir als eine ergebnisoffene Veranstaltung konzipiert, da unser Fokus auf dem Prozess und dem Austausch, nicht auf einem fixen Outcome lag. Der folgende Text fasst unsere eigenen Gedanken und Interpretationen zusammen und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Da die Veranstaltung ein safer Space für alle darstellen soll, sprechen wir im Folgenden über keine persönlichen Inhalte.

Bereits im Kindesalter werden wir dazu erzogen, Wut zu unterdrücken. Dies verhindert, dass wir lernen, für uns selbst einzustehen. Auch im Erwachsenenalter kann das dazu führen, dass wir andere Menschen einfach viel zu oft unsere eigenen Grenzen übertreten lassen. Die unterdrückte Wut macht uns reizbar, lässt uns unwohl fühlen, kann Kopfschmerzen, Verspannungen, Depressionen und vieles mehr verursachen1.

Durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Wut können verschiedene Wege ausprobiert werden, mit diesem Gefühl umzugehen, statt es einfach nur zu unterdrücken.

Sowohl die vielen Erfahrungen von FLINTA*-Personen als auch wissenschaftliche Quellen zeigen, dass von Außenstehenden die Wut von FLINTA* anders wahrgenommen wird2. Auf diesen Erfahrungen und Umgängen mit Wut liegt der Fokus unseres Projektes. Daher organisierten wir eine Veranstaltung zum Thema “Wut” ausschließlich für FLINTA*-Personen, um einen safen Space zu kreieren, indem alle frei sprechen und sich austauschen können. Ein FLINTA*-Rahmen hilft dabei, gewisse Aspekte nicht erneut erklären zu müssen, da ein ähnliches Grundverständnis von erlebten Erfahrungen innerhalb des Patriarchats geteilt wird.

Das Konzept des Wut-Mahls ist es, ein gemeinsames Abendessen in lockerer Atmosphäre zu schaffen, um sich über teilweise sehr private Erfahrungen und Umgänge mit Wut auszutauschen, voneinander zu lernen, sich zu solidarisieren und ggf. neue Formen der Auseinandersetzung mit dem Thema zu finden. Deshalb ist es uns wichtig, dass alle respektvoll und tolerant mit ihren Gesprächspartner*innen umgehen, sich auf Augenhöhe begegnen und allen Personen ausreichend Raum zur Verfügung steht. Was und wie viel jede Person beitragen möchte, kann sie selbst entscheiden. Keine Person soll über Sachen reden, über die sie nicht sprechen möchte.

Da Essen bekanntlich verbindet, steuerte jede Person zur gemeinsamen Brotzeit etwas bei. Es wurde gemeinsam um einen großen Tisch herum gesessen und gequatscht. Nach dem Ankommen begannen wir mit einer Vorstellungsrunde und einem kurzen Check-In, wie die Personen zum Wut-Mahl gekommen sind und welche Erwartungen sie an diese Veranstaltung haben. Sie erzählten, dass sie sich gerne über unterschiedliche Perspektiven austauschen, von den Erfahrungen anderer lernen und neue Umgänge erfahren möchten. Der FLINTA*-Rahmen war für einige ausschlaggebend, um sich sicher im Austausch mit den anderen zu fühlen.

Für jede Person lagen Reflexionskarten bereit, die einluden, in dem Thema anzukommen und im Anschluss an den Abend die Gedanken Revue passieren zu lassen. Weitere Fragekarten waren auf dem Tisch verteilt, um über bestimmte Wut-Situation/Wut-Themen nachzudenken und zu sprechen. Beide stellten nur Optionen dar und waren kein Muss.

Der weitere Ablauf des Wut-Mahls war unbestimmt und offen. Es bestand die Möglichkeit, in kleineren Gruppen zu sprechen. Der Abend verlief dann aber doch in einer großen gemeinsamen Gesprächsrunde. Dabei sammelten wir unter anderem mögliche Umgänge mit Wut: aussprechen, Gedanken aufschreiben, Fahrrad fahren, sich bewegen, sich schüttel, in Ton boxen, schreien (im Auto, ins Kissen), feministischen Rap für die Attitude, im Kopf Enten beleidigen, zu Demos gehen oder sie organisieren – Wut Raum geben!
Wir entschieden uns keine gezwungene Feedbackrunde im Anschluss zu machen, um Raum zu geben, das Thema erst einmal zu verarbeiten. Die Möglichkeit für freiwillige Rückmeldung gaben wir über einen digitalen Link.

Das Wut-Mahl war ein sehr spannender Abend, in dem wir vieles Gemeinsames in den Umgängen mit Wut finden konnten und gleichzeitig feststellten, dass diese dennoch sehr individuell sind. Es gibt kein allgemeingültiges bevorzugtes Handeln, aber neue Anreize und Ansätze damit umzugehen, die für alle frei wählbar sind.
Wir haben bemerkt, dass eine große lockere Austauschrunde, sehr wertvoll sein kann, da so der Gesprächsfluss zwischen den Teilnehmer*innen nicht gestört wird und alle aufeinander reagieren können, sobald eine Erfahrung mit ihnen resoniert. Allerdings können Gespräche in einer Runde mit mehr als zehn Menschen schnell überfordern, es kann schwer sein, zu Wort zu kommen, was dazu führen kann, dass immer dieselben Menschen sich aktiv an der Unterhaltung beteiligen, während andere keinen Raum finden, die eigenen Gedanken zu äußern.
Für zukünftige Veranstaltungen können wir uns vorstellen, dass wir an verschiedene Punkten Reflexionsrunden einbauen oder Methoden benutzen, die unterstützen können, Sprechzeiten ausgeglichener zu gestalten.

Wenn auch ihr Lust habt, ein Wut-Mahl zu machen und euch mit anderen zum Thema auszutauschen, meldet euch gerne! Ihr könnt auch schon die beigefügten PDF´s für eure Auseinandersetzung nutzen.

Love & Rage ❤️‍🔥

Quellen

1 https://www.deutschlandfunkkultur.de/emotionsforschung-wer-wut-unterdrueckt-kann-depressiv-werden-100.html

https://www.oberbergkliniken.de/artikel/die-macht-von-unterdrueckten-gefuehlen-wie-sich-innere-wut-auf-die-psychische-gesundheit-auswirken-kann

2 Examenarbeit von Margarete Halemba 2011: „Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Verbalisierung von Emotionen“, S. 40 ff.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

fünfzehn + fünf =